Süßwasserpolypen im Trinkwasser – ein analytischer Krimi

In unserem Labor beschäftigen wir uns u.a. mit der Analyse wirbelloser Tiere in Trinkwassersystemen. Bei einigen dieser Trinkwasser-Untersuchungen konnten wir organisch anmutende Gebilde ausmachen (siehe Abb.1), die wir für Kolonien von Bryozoa (Moostierchen) hielten. Bestimmungsrelevante Details (wie z.B. sog. Statoblasten) waren nicht auszumachen, weshalb eine Artansprache unmöglich war. Um den Einschränkungen herkömmlicher Methoden der Artbestimmung zu entgehen, wandten wir uns an AIM mit der Bitte, die Art der Bryozoa mittels spezifischer Primer zu ermitteln.  Leider hat das nicht funktioniert. Ein zweiter Versuch wurde auf Anraten der Mitarbeiter von AIM weniger spezifisch gestartet und ein Metabarcoding durchgeführt. Das überraschende Ergebnis: es handelt sich bei den gesammelten Tieren um Craspedacusta sowerbii! Natürlich konnten die spezifischen Bryozoa-Primer hier nicht funktionieren.

Craspedacusta sowerbii kommt ursprünglich aus dem Jangtsekiang und ist mittlerweile auf fast allen Kontinenten verbreitet (2). In Trinkwasserleitungen hätten wir sie allerdings nicht erwartet. Sowohl Polyp als auch Meduse ernähren sich räuberisch von kleinen Krebsen und ggf. Oligochaeten (4), wodurch die Zooplankton-Gemeinschaft stark beeinflusst werden kann, besonders wenn Medusen vorhanden sind (2,4). Inwieweit das im Trinkwasser der Fall ist, muss noch untersucht werden.

Ab 21° C kommt es zur Abschnürung der Medusen (4), die sich zwischen 28 und 29° C sexuell fortpflanzen können (3). Das macht sie zu termophilen, stenothermen Tieren. Bei niedrigeren Temperaturen vermehren sie sich asexuell über Frustulae oder Knospung des Polypen. Sind die Temperaturen noch niedriger können Podocyten als Überdauerungsstadien gebildet werden (3). Zu einer Medusen-Blüte kommt es unter günstigen Bedingungen (hohes Nahrungsangebot und Temperaturen), sie dauert aber in der Regel nur ein paar Wochen. Im Zuge der Klimaveränderungen ist zu erwarten, dass diese Blüten häufiger und eventuell auch länger vorkommen (4).

Potenziell problematisch ist das Vorkommen dieser Neozoen in Trinkwasserleitungen eher in technischer Hinsicht; die Medusen, sollten sie denn massenhaft vorkommen, könnten Filteranlagen verstopfen. Da auch Trinkwasserleitungen vom Temperaturanstieg betroffen sind (5), wäre das gar nicht so unwahrscheinlich.

Molekularbiologische Methoden der Determination, wie sie von AIM durchgeführt werden, haben sich in diesem Fall als perfekte Alternative zur morphologischen Artbestimmung erwiesen. Besonders gilt das für Tiere, die durch die Fixierung bestimmungsrelevante Merkmale verlieren.

Quellen:

  1. P. Mundy, A Key to the British and European Freshwater Bryozoans, Freshwater biological association scientific publication No. 41, 1980
  2. Alllison S. Smith, James E. Alexander jr.; Potential effects of the freshwater jellyfish Craspedacusta sowerbii on zooplankton community abundance, Journal Of Plankton Research, Volume 30, Number 12,Pages 1323–1327,2008
  3. Marchessaux, J. Gadreaud, B. Belloni, The Freshwater Jellyfish Craspedacusta sowerbii Lankester, 1880: An Overview Of Ist Distribution In France, Vie et milieu – Life and environment, 69 (4): 201-213, 2019
  4. Lüskow, P.J. López-González, E. A. Pakhomov, Freshwater jellyfish in northern temperate lakes: Craspedacusta sowerbii in British Columbia, Canada, Aquatic Biology, Vol. 30: 69–84, 2021
  5. G. Gunkel, U. Michels, M. Scheideler, Folgen des Klimawandels in Wassernetzen – Zuckmückenlarven und Wasserasseln profitieren, GWF-Wasser, Vol. 12, p. 48-51, 2021

Wasserschnecken in Trinkwasserleitungen

Trinkwasser lebt!

Wirbellose Tiere in Trinkwasserleitungen sind mittlerweile alltäglich für Wasserversorger aber vielerorts noch ein wohlgehütetes Geheimnis. Im Prinzip ist dieses Vorkommen eine ganz natürliche Angelegenheit, wenn die mikroskopisch kleinen bis wenige Zentimeter großen Tiere nicht überhand nehmen.

Seit einigen Jahren entdecken wir im Rahmen unserer Untersuchungen immer mehr Arten, die in Trinkwassernetzen leben. Im vergangenen Jahr waren es besonders zahlreiche Vorkommen und verschiedene Arten von Wasserschnecken.

Video: Die Spitze Blasenschnecke im Trinkwasser

Das nur wenige Millimeter große Zwergposthörnchen (Gyraulus crista) lebt in Trinkwasserleitungen vom Biofilm an den Rohrwandungen, der abgeweidet wird. Die Spitze Blasenschnecke (Physella sp.) frisst dagegen organische Ablagerungen; die Tiere können schon bis zu einem Zentimeter groß werden. Völlig anspruchslos hinsichtlich ihrer Ernährung ist die bis zu 6mm große Neuseeländer Zwergdeckelschnecke (Potamopyrgus antipodarum): neben kleinen Biofilm- und Sedimentpartikeln kann sie auch größere Partikel zerkleinern. Eine Besonderheit stellt der Nachweis von Quellschnecken (Bythinella sp.) dar; die in Deutschland vorkommenden Arten sind ausnahmslos naturschutzrechtlich zu schützen.

Quellschnecken

Zwergpostörnchen

Zwergposthörnchen











Wasserschnecken gehören zu den Tieren, die nicht oder nur in geringer Zahl in Trinkwasserleitungen vorkommen sollten. Sie machen zwar per se nicht krank, ein massenhaftes Vorkommen weist jedoch auf entsprechende Nahrungsquellen wie Biofilm, Bakterien und organische Partikel in den Trinkwassernetzen hin.

Quellschnecke Bythinella in Trinkwasserproben nachgewiesen

Die Quellschnecke Bythinella wurde von uns in Trinkwasserproben eines süddeutschen Wasserversorgers gefunden. Es handelte sich um Routineproben, welche beim Spülen von Trinkwasserleitungen anfallen. Die nur zwei Millimeter großen Schnecken wurden an mehreren Probestellen in teilweise größerer Anzahl nachgewiesen. Bythinella besiedelt in ihrem natürlichen Lebensraum saubere Quellen und Oberläufe von Quellbächen in Berg- und Hügelländern. Die […]